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Dr.in Mathilde Schwabeneder

Buchautorin, Journalistin, ehemalige Leiterin der ORF-Außenstelle Rom für Italien, Vatikan und Malta, Menschenrechtspreisträgerin 2018

Orden machen den Unterschied

In meiner Zeit als Journalistin und Korrespondentin hatte ich immer wieder das Glück rund um den Globus interessanten und bereichernden Menschen zu begegnen, die mich nachhaltig beeinflussten.

Schwester Mary Killeen lernte ich im Mukuru-Slum in Nairobi kennen, wo rund achthunderttausend Menschen mehr überlebten als lebten. Noch bevor ich sie sah, nahm ich ihre energische Stimme wahr. Sie klang angespannt, aber doch ruhig. Ein Kind war abgängig. Und schon bald erwiesen sich ihre Befürchtungen als wahr. Der Bub war auf einer an den Slum angrenzenden Schnellstraße angefahren und schwer verletzt worden. Kein Einzelfall, erzählt sie mir später mit unüberhörbarer Wut, denn Slumkinder würden oft noch schlechter als Hunde oder Katzen behandelt und einfach liegengelassen.

Dass es Mary Killeen einmal in die kenianische Hauptstadt verschlagen würde, war der geborenen Irin nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Doch der Orden der Sisters of Mercy, in den sie eingetreten war, schickte sie 1976 nach Nairobi. Als Ersatz für eine erkrankte Mitschwester. Damit waren die Würfel gefallen. Sister Mary ist in Nairobi geblieben und wurde zur bekanntesten und unbequemsten Ordensfrau in Kenia. Ihr ganzer Einsatz gilt den im Slum lebenden Waisenkindern. Etwas das ihr den inoffiziellen Titel „Mutter der Kinder von Mukuru“ einbrachte. Auf ihre Initiative geht ein großer Schulkomplex zurück, in dem die von Hunger und Ausbeutung bedrohten Mädchen und Buben zu essen und in weiterer Folge auch eine Berufsausbildung bekommen. Doch wirklich bekannt wurde Sister Mary durch ihren bedingungslosen Einsatz für Grund- und Menschenrechte. Dabei scheut sie sich auch nicht gegen korrupte Politiker, Behörden und kriminelle Kartelle vorzugehen. Sogar dann nicht, wenn sie dabei selbst an Leib und Leben bedroht oder unter fadenscheinigen Vorwürfen vor Gericht gezerrt wird.

Dorothy Stang konnte ich nicht mehr persönlich kennenlernen. Die US-amerikanische Ordensfrau war bereits tot, als ich im brasilianischen Amazonasgebiet ankam. Doch ihr Name war überall präsent. Mein Ziel war damals die am Xingu gelegene Stadt Altamira, der Sitz des aus Österreich stammenden Bischofs Erwin Kräutler. Schon am nächsten Tag führte mich Dom Erwin zum Grab von Schwester Dorothy. Über dreißig Jahre hatte die Ordensfrau in Brasilien gelebt und sich unermüdlich für die Rechte der Landlosen und den Schutz des Regenwaldes eingesetzt. Das brachte ihr wiederholt Morddrohungen ein, da sie mit ihren lautstarken Protesten die Geschäfte reicher Großgrundbesitzer störte. Im Februar 2005 werden diese Drohungen Realität. Sister Dorothy (vom Orden der Soeurs de Notre Dame de Namur) wird mit sechs Schüssen mitten im Regenwald ermordet. Ein Auftragsmord. Die Gerichtsprozesse erwiesen sich als kompliziert. Doch auch wenn die Mörder der katholisch inspirierten Umweltaktivistin ihre Stimme für immer verstummen ließen, ihren Einfluss konnten sie trotzdem nicht eliminieren. Dorothy Stang ist zur Symbolfigur für den Kampf gegen die Abholzung des Regenwaldes geworden. Drei Jahre nach ihrer Ermordung wurde ihr der Menschenrechtspreis der UNO verliehen.

Auch Cesare Mazzolari hat sich sein Leben lang für die Rechte von Minderheiten und für Menschen am Rande der Gesellschaft eingesetzt. Als ich den Comboni-Missionar in Nairobi kennenlernte, wo er sich wegen des Bürgerkrieges im Sudan vorübergehend aufhielt, war er kurz davor zum Bischof der südsudanesischen Diözese Rumbek ernannt zu werden. Jahre später drehte ich mit ihm für den ORF einen Dokumentarfilm über den jahrzehntelangen Krieg im Sudan. Bischof Mazzolari, der über dreißig Jahre Seite an Seite mit der kriegsgebeutelten Bevölkerung lebte und selbst einmal von der Sudanesischen Befreiungsarmee als Geisel genommen wurde, gründete unter anderem die Stiftung CESAR, die Projekte im Bildungs- und Gesundheitswesen umsetzte und gleichzeitig Gerechtigkeit und Frieden propagierte. So wurde der Ordensmann zu einer der wichtigsten Stimmen, die auf das von der Weltöffentlichkeit oft vergessene Leid der sudanesischen Bevölkerung hinwiesen. Und auch er scheute dabei nie, sich mit den Reichen und Mächtigen auseinanderzusetzen.

Drei Ordensangehörige, deren Engagement den Unterschied macht. Drei Ordensleute, die die Relevanz ihrer Orden für die Gesellschaft von heute verdeutlichen. Doch was tun, damit diese Relevanz in Zeiten einer noch immer stärker werdenden Säkularisierung und eines ungezügelten Konsumstrebens nicht verloren geht? Um ihrer Ordensgründung gerecht zu werden, bedarf es eines klaren Blicks auf die Zeichen der jeweiligen Zeit. Oder wie es der Generalobere der Jesuiten, Pedro Arrupe, einmal formulierte: „Die Zukunft unserer Orden hängt vom Dienst ab, den wir – dem je eigenen Charisma entsprechend – der Kirche und der Welt anbieten.“ Diese Dienste können nach Ländern ganz unterschiedlich aussehen, bedingen aber immer die gelebte Nähe zu den Menschen.

Entstanden sind die meisten Orden- vom Rande der Gesellschaft her und waren – wie im Fall des Heiligen Franziskus – eine Art Korrektiv im Inneren der Kirche. „Fragwürdigen Kompromissen und gefährlichen Arrangements“, wie es der Theologe Johann Baptist Metz beschrieb, „stellten sie die Kompromisslosigkeit des Evangeliums gegenüber. Und die Radikalität der Nachfolge Christi“. Eine Absage an eine reiche Kirche, ein Ja zur empathischen Kirche und zur gelebten Nächstenliebe. In diesem Sinne haben die Ordensgemeinschaften – vor allem die Frauenorden – mit ihren Bildungs-, Sozial- und Gesundheitseinrichtungen in vielen Ländern auch mitgeholfen den Wohlfahrtsstaat aufzubauen. Allein in Österreich gibt es 23 Ordensspitäler. Eine Säule dabei ist der Orden der Elisabethinen, der in der Krankenpflege tätig ist.

Durch diesen Auftrag ist der Orden mitten in der Gesellschaft verankert. Und er deckt damit eine der großen Herausforderungen unserer Gegenwart und Zukunft ab: die medizinische und pflegerische Versorgung eines Großteils der Bevölkerung. Eine Ordensgemeinschaft zeichnet sich aber nicht nur durch fachliche Expertise aus. Den Unterschied macht ihre Spiritualität, die in Zeiten eines Epochenwandels relevanter denn je ist. Papst Franziskus lädt in seiner Botschaft zum Welttag der Kranken 2024 dazu ein, sich um diejenigen zu kümmern, die leiden und allein sind. Daraus ergibt sich der Auftrag für eine weltweite Kultur der Fürsorge und der Einsatz für eine Gesundheitsversorgung für Alle. Diesem Anspruch fühlen sich in besonderer Weise die österreichischen Ordensspitäler verpflichtet. Die ihnen zugrunde liegenden Orden sind mit ihrer Spiritualität und ihren Werken wirksam – und damit relevant.

M. SCHWABENEDER


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