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Neue Tagesklinik für Traumafolgestörungen bei den Elisabethinen Graz

Über ein Drittel der in Österreich lebenden Frauen sind im Laufe ihres Lebens von körperlicher oder sexueller Gewalt betroffen. Fast jede sechste Frau war im Erwachsenenalter von Androhungen körperlicher Gewalt betroffen. Geschlechtsspezifische Gewalt kommt vor allem auch innerhalb von Partnerschaften vor – also innerhalb von intimen und vertrauten Beziehungen. Solche Gewalt- und Missbrauchserfahrungen können für Betroffene schwerwiegende Folgen haben. Traumatische Erlebnisse wie diese können bei Betroffenen tiefe Spuren hinterlassen und ihre Lebensqualität enorm einschränken. Angebote für Betroffene gibt es nach wie vor zu wenige.

Mit der Tagesklinik für Traumafolgestörungen erweitern die Elisabethinen Graz ihr Portfolio im Bereich der Psychiatrie und bieten eine Einrichtung mit Alleinstellungsmerkmal in der Steiermark, die sich derzeit vor allem an Frauen mit posttraumatischen Belastungsstörungen richtet. Im September 2023 ging die Tagesklinik für Traumafolgestörungen der Elisabethinen in Betrieb.

Die Tagesklinik für Traumafolgestörungen bietet eine teilstationäre Behandlung auf freiwilliger Basis über die Dauer von sechs bis acht Wochen, abhängig von den gemeinsam definierten Therapiezielen. Patient*innen haben in diesem Zeitraum von Montag bis Freitag eine geregelte Tagesstruktur in der Tagesklinik und schlafen Zuhause.

Angeboten werden neben der psychiatrischen Betreuung auch Physiound Ergotherapie, Kunst-, Musik-, Tanz- und Körpertherapie sowie Beratung durch Sozialarbeit und Seelsorge. Bereitgestellt wird also ein breites Portfolio an störungsspezifischen Therapieangeboten. Am wichtigsten sei es aber „Sicherheit zu schaffen“, so OÄ Dr.in Dagmar Brunner, Leiterin der Tagesklinik. „Wichtig ist es, Patient*innen die Möglichkeit zu bieten, Beziehungen neu zu erleben und positive Bindungserfahrungen zu machen.“

Komplexe Traumata und Behandlungsmöglichkeiten

Was landläufig unter dem Begriff Trauma verstanden wird unterscheidet sich durchaus von der medizinischen Diagnose. „Der Begriff Trauma wird leider oftmals inflationär verwendet – ich spreche lieber von einer psychischen Verletzung“, so Dagmar Brunner, Fachärztin für Psychiatrie und Leiterin der neuen Tagesklinik. Nicht jeder der ein Trauma erlebt, erkrankt an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Denn was zu einer bleibenden psychischen Verletzung führt, oder nicht ist ganz von den individuellen Voraussetzungen abhängig. Ausschlaggebend ist, wie diese Verletzung von der jeweiligen Person wahrgenommen wird. Bei ca. 10% aller Menschen, die ein Trauma erleben, kommt es zu einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung (CPTBS) ist Folge von Traumatisierungen, die über längere Zeit hinweg, oftmals im Kindes- oder Jugendalter, erlebt werden. Dazu können Misshandlungen, Vernachlässigungen oder Gewaltbeziehungen zählen, aber auch das Erleben von Unfällen, Kriegssituationen, Folter oder Naturkatastrophen. „Zwischenmenschliche Erlebnisse haben ein viel höheres Risiko, Traumafolgestörungen auszulösen als Unfälle oder Naturkatastrophen“, so Mag.a Dr.in Klaudia Dsubanko-Obermayr, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie. Erst seit 2022, nach der Etablierung des ICD-11*, wird die komplexe Postraumatische Belastungsstörung als eigenständige Diagnose definiert. Das Risiko eine Traumafoglestörung zu entwickeln ist gerade dann besonders hoch, wenn die Beziehung zwischen Täter*in und betroffener Person besonders nahe ist und wenn die Gewalterfahrung lange andauert. Zudem gilt auch: Je früher die traumatische Erfahrung im Leben gemacht wird, desto höher ist das Risiko einer Folgeerkrankung.

Eine Traumafolgestörung zeigt sich durch eine Reihe an Symptomen, wie die Störung der Selbstregulation und Beziehungsstörungen. Betroffene haben oft das Gefühl selbst schuld zu sein, an dem was sie erlebt haben und haben dadurch oft unter einem extrem negativen Selbstbild zu leiden. Das kann so weit gehen, dass sich Betroffene nicht mehr selbst angreifen oder im Spiegel betrachten können – Tätigkeiten wie das Eincremen des Gesichts können dann oft nicht mehr erledigt werden.

Ein Symptom kann auch die Vermeidung von Situationen sein – Betroffene gehen allem aus dem Weg, was sie mit den Ereignissen und Erlebnissen in Verbindung bringen. Gedanklich aber auch buchstäblich. Dadurch kann es mitunter auch zu starken Einschränkungen im Leben der Betroffenen kommen.

Häufig kommt auch das Wiedererleben von den traumatisierenden Erlebnissen vor – die sogenannten Flashbacks. Die Betroffenen erleben die Situation dann als würde es nochmals passieren und reagieren auch dementsprechend darauf. So kann es vorkommen, dass Betroffene in Deckung gehen, sich verstecken oder flüchten indem sie weglaufen.

Ein weiteres Symptom ist das sogenannte Hyperarousal. Dabei werden Gehirnstrukturen, die normalerweise für die Aktivierung zuständig sind, dauerhaft überregt. Das bedeutet, dass Betroffene unter starker Anspannung stehen – alle „Alarmsysteme“ des Körpers sind sozusagen aktiviert, um Betroffene zu „schützen“. Körperlich kann sich dies in extremer Schreckhaftigkeit, hohem Blutdruck, enormer Unruhe und Schlafstörungen manifestieren.

Betroffenen helfen

​​​​​​​​​​​​​​Ziel des tagesklinischen Aufenthaltes ist es, Symptome zu reduzieren und damit die Lebensqualität zu erhöhen. Eine ganzheitliche Sicht von Gesundheit und Krankheit, sowie eine wertschätzende, empathische und ressourcenorientierte Haltung gegenüber den Patient*innen ist dabei selbstverständlich. Man muss die Schwere der Probleme und Symptome anerkennen und gleichzeitig die noch vorhandenen Ressourcen würdigen. Besonders wichtig ist es, eine Möglichkeit zu bieten, Beziehungen wieder neu zu erleben und einen sicheren Raum für neue Beziehungserlebnisse zu schaffen. Wieder zu sich finden und (wieder) erlernen, wie Selbstfürsorge funktionieren kann. Die Selbstwirksamkeit wieder steigern und ein positives Selbstbild stärken. Die Therapie dafür erfolgt in Einzel- und Gruppensettings. Angeboten wird ein breites Spektrum: Psychiatrische Betreuung, Einzelpsychotherapie, Physio- und Ergotherapie, Kunst-, Musik-, Tanz- und Körpertherapie, sowie Beratung durch Sozialarbeit und Seelsorge.

Vernetzung & Begegnung

Tagesklinik für Traumafolgestörungen im öffentlichen Rahmen vorgestellt. Mit Vortrag zum Thema „komplexe PTBS“ und Einblicken in den Alltag der Tagesklinik. Und natürlich Platz für Begegnungen und Austausch. Eingeladen waren Zuweiser*innen aus der Region. Prim. Dr. Peter Hlade, Vorstand der Abteilung Psychiatrie & Psychotherapie, betont: „Es wurde viel Vorarbeit geleistet um endlich unsere Pforten öffnen zu können. Hinter einer solchen Einrichtung steckt viel Energie, Zeit und vor allem auch ein gut eingespieltes Team – die fachliche Expertise und der Zusammenhalt, sind wesentlich für die erfolgreiche Umsetzung.“

A. LEEB

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